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Religion, ein System von Überzeugungen und Praktiken, in dessen Mittelpunkt die Verehrung übernatürlicher Wesenheiten, Götter, Geister oder eines einzigen Gottes steht. Man unterscheidet monotheistische Religionen, die sich zu einem allmächtigen Gott bekennen, und polytheistische Religionen, in denen eine Vielzahl von Gottheiten kultische Verehrung genießt. E: Das Wort wird meist von religare (lat. binden) abgeleitet und bezeichnet eine Verbindung zwischen Mensch und Übernatur. Sie soll dem Menschen die absolute Sinngebung im Verhältnis zu Gottheit und Gesellschaft vermitteln. Der Ausdruck »Religiosität« bezeichnet das Frömmigkeitsverhalten des Gläubigen.
Religion Merkmale Die ersten Systeme des Denkens, in denen sich die Menschen mit der Welt und mit sich selbst beschäftigt haben, sind religiösen Ursprungs. Jede Religion ist eine « Kosmologie » (Lehre von der Welt), die für die Gesellschaft, in die sie gehört, von großer Wichtigkeit ist. Für die so genannten primitiven Religionen steht nicht so sehr das Außergewöhnliche und Seltsame, sondern der normale Gang der Natur und des Universums im Mittelpunkt des Interesses: der Rhythmus der Jahreszeiten, die Bewegung der Sterne, das Erwachen der Natur usw. (Vorgeschichtliche Religion) Das Göttliche oder ein Gottesbegriff sind für den Bereich des Religiösen nicht immer charakteristisch; tatsächlich gibt es große Religionen, die ohne diese Vorstellungen auskommen. (Buddhismus) Religion greift über die Idee von Göttern und Geistern hinaus. Religionen sind umfassende Systeme von Mythen und Dogmen, Riten und Zeremonien. Sie teilen die Dinge, die wirklichen und die vorgestellten, in zwei Bereiche ein: in den Bereich des Profanen, Irdischen, Weltlichen und in denjenigen des Heiligen. Der Unterschied ist unvergleichlich tief, radikal, ja absolut. Wenn ein Wesen von einem Bereich in den anderen gelangen will, muss es sich zuvor völlig « verwandeln ». Deshalb kennen die Religionen vieler Völker Initiationsriten, das heißt Zeremonien, die zur Weihe führen und diese vollziehen. In der Weihe « stirbt » der alte Mensch, und ein neuer, wiedergeborener, tritt an seine Stelle. Manche Reli gionen nötigen ihre Anhänger dazu, durch ihren ganzen Lebensvollzug das Prolane zu verlassen, um in einer heiligen Gegenwelt zu leben. (Askese; Mönchtum) Ursprung der Religion Die meisten Religionen kennen zwei Arten von Objekten, an die sie sich wenden: Dinge der Natur (kosmische Kräfte, Gestirne, Himmel, Pflanzen, Tiere, Berge usw.) und geistige Dinge (Geister, Seelen, Dämonen, Gottheiten). Von dieser Beobachtung ausgehend, hat man zwei Theorien über den Ursprung der Religion aufgestellt, die Theorie des Animismus und die Theorie des Naturismus. Die animistische Theorie behauptet, der Mensch sei über die Erfahrung des « Doppellebens » beim Wachen und Schlafen auf die Idee der Seele gekommen. Die Möglichkeit, sich im Traum sozusagen an einen weit entfernt liegenden Ort zu begeben, habe den primitiven Menschen auf den Gedanken gebracht, dass in ihm selbst ein Double (d. h. die « Seele » ) existiere: Die Seele ist wie ein Abbild des Körper;. Im Tod, so der Animismus, verwandele sich die Seele in einen Geist; durch die Zerstörung der Körper entstehen freie, körperlose Geister. Da die Seelen mit der. Lebenden in Kontakt bleiben und Krankheit sowie Gesundheit der Menschen beeinflussen, werden sie mit Opfern und Gebeten wohlwollend gestimmt. Die ältesten religiösen Riten wären folglich Totenriten. (Totenbestattung) Gegen den Animismus ist u. a. eingewendet worden, dass Ahnenkult wohl für weit fortgeschrittene Gesellschaften wie etwa diejenigen Chinas, Ägyptens und der griechischen und lateinischen Städte, nicht aber für einfachste soziale Organisationsformen wie beispielsweise diejenigen der australischen Gesellschaften charakteristisch sei. Wenn aber der Totenkult nicht primitiv ist, so fehlt dem Animismus die Grundlage. Der Naturismus behauptet, dass Naturkörper und Naturkräfte die ersten Objekte waren, an die sich das religiöse Gefühl gerichtet habe. So seien zum Beispiel Himmel und Sterne zu den ersten vergöttlichten Gegenständen geworden. Schließlich habe die Mythologie jedem Gott eine Lebensgeschichte verliehen, wodurch die Gottheiten zu eigenständigen Wesen wurden. Animismus und Naturismus machen beide, wie kritisch einzuwenden ist, Irrtümer und Täuschungen des Menschen zur Grundlage von Religion. Weder sind Trauminhalte wirklich noch Sterne göttliche Persönlichkeiten. Unerklärlich bleibt dann, weshalb sich die auf Irrtümern basierende Religion so lange hat behaupten können. Religion und Gesellschaft Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts und vor allem seit dem 19. Jahrhundert hat man den Totemismus zum Ursprung der Religion erklärt (z. B. Emile Durkheim). Träger der Totem-Religion ist der Clan, eine Gruppe von Menschen, die miteinander verwandt sind, denselben Namen haben und auch der Meinung sind, eine einzige Familie zu bilden. Das Totem drückt die Gemeinschaft des Clans aus, wobei das Totem des Clans auch das Totem jedes einzelnen Clanmitglieds ist. Gegenstände, die als Totem dienen können, gehören meist zur Tier- oder Pflanzenwelt; bisweilen sind es auch unbelebte Dinge. Das Totem ist eine Gattung oder Art. Es wird auf das Kind entweder über die Mutterlinie oder über die Vaterlinie übertragen; so erhält jedes Kind das Totem seiner mythischen Ahnen. Das Totem ist ein heiliges Ding, ein Name oder ein Wappen, das soziale und religiöse Bedeutung hat. Da das Totemtier heilig ist, darf man es normalerweise nicht essen. Ausnahmen bilden sakrale Mahlzeiten. (Abendmahl; Sakrament) Über das Totem kommt der Mensch mit dem heiligen Lebensprinzip der Gemeinschaft in Beziehung. Dieses Lebensprinzip ist der Stoff, aus dem die Religionen die Geister und Dämonen, die Heilande und die Götter geformt haben. Nicht Eindrücke der Sinne oder die Natur bestimmter heiliger Dinge haben die Geister und Götter entstehen lassen; vielmehr ist es das von der Gesellschaft erzeugte Gefühl der Abhängigkeit, das die Gottesvorstellungen hervorbrachte. Die eigentliche Quelle göttlicher Autorität ist demnach die Gesellschaft. Religion ist aber nicht nur Zeichen von Abhängigkeit, sondern auch Quelle von Kraft. Die Kräfte der Religion sind die Kräfte der Gemeinschaft, in der der Mensch lebt. In der Religion entwerfen die Menschen Bilder und Begriffssysteme, mit deren Hilfe sie sich ihre eigene Gesellschaft vorstellen. Indem sich Gläubige in Ritus und Kultus an ihre Götter binden, festigen sie die Beziehungen und Bindungen untereinander. Das religiöse Gefühl ist demnach die Kraft, die die Gemeinschaft ihren Mitgliedern einflößt. Religion und Gott Die Gesellschaft, die die Quelle ist, aus der alles Heilige entspringt, bewegt den Menschen nicht nur von außen, sondern sie nistet sich mitten in ihm selbst ein: in seiner « Seele ». Die Seele des Einzelnen ist ein Teil der Gruppenseele. Verbreitet ist die Vorstellung, dass Ahnenseelen in den Nachkommen wiedergeboren werden. Der Glaube daran, dass die Seele den Körper überlebe, spiegelt die Erfahrung von der Fortdauer der Gruppe: Der Einzelne stirbt, aber die Gruppe lebt weiter. Eine Sonderform der Seele ist die Ahnenseele. Während die Seele zum Körper gehört und erst beim Tod endgültig entweicht, führt der Geist eine unabhängige Existenz. Der Geist hat einen bestimmten Wirkungsgrad und bestimmte Aufgaben. Darin gleichen ihm die Seelen der Ahnen, die deshalb auch Geister sind. Neben den wohltätigen gibt es boshafte Geister, die z. B. Albträume und Krankheiten, Stürme und Katastrophen verursachen. Über die Geister scheinen die Menschen auf die Vorstellung der Götter gekommen zu sein. Die wichtigsten Merkmale der Götter sind in allen Religionen gleich: Eine Gottheit ist unsterblich, und sie stammt in der Regel von niemandem ab. Sie hat Macht über die Sterne und ordnet den Lauf von Sonne und Mond. Aus den Wolken lässt sie es blitzen, und auch Donner und Regen stehen ihr zu Gebot. Gott gilt als Schöpfer, und man spricht ihn auch als Vater an. Verbreitet ist die Vorstellung, Gott habe den Menschen wie eine Statuette aus Lehm gemacht, und er habe dieser anschließend seinen eigenen Odem eingeblasen, um sie zu beleben. Die Gottheit gilt auch als Wächter der Moral; nach dem Tod des Menschen wird Gott selbst die Rolle seines Richters übernehmen. Schließlich empfängt er die Seelen im Jenseits. Gott zu Ehren singen und beten die Gläubigen. Der Gottesglaube einer Gruppe von Gläubigen hat meist die Neigung, sich über den engen Bereich eines einzigen Stammes auf die ganze Umgebung und schließlich sogar möglichst weltweit auszubreiten. Bisweilen schiebt sich zwischen die Ahnengeister und den obersten Gott ein Mittelglied: Der Kultheros oder Zivilisationsheld (« Dema-Gottheit » ), der die Menschen über die Errungenschaften der Zivilisation belehrt, die wichtigsten sozialen Einrichtungen begründet und alle religiösen Zeremonien offenbart hat. (Stammesreligionen) Gott hat die größtmögliche Fülle an Macht. Die Ideen der Macht, der Herrschaft, der Abhängigkeit und der Unterordnung, die für Religion von zentraler Bedeutung sind, entstammen als soziale Beziehungen der Gesellschaft, die die Menschen in Herren und Untertanen, in Autoritäten und Gehorchende unterteilt. Nach dem Bild der sozialen Machthaber sind auch die religiösen Mächte gestaltet, und nach dem Vorbild der himmlischen Mächte werden schließlich die irdischen Gewalten begriffen und verehrt. Da Glaube und Riten sich an die Überlieferung der Ahnen halten, wird auch Tradition selbst zur Autorität. Religiöse Praxis Zahlreiche religiöse Praktiken und Riten sind darauf ausgerichtet, das Heilige vom Profanen getrennt zu halten. Bestimmte Leistungen muss der Gläubige erbringen, bestimmte Handlungen sind ihm untersagt. Es gibt keine Religion ohne Verbote. Wer ein Tabu bricht, gerät in einen Zustand der Schuld. Häufig ist die Berührung, bisweilen schon der Blick auf das Heilige (z. B. der Blick von Frauen auf Kultgegenstände) verboten. Das Religiöse und das Profane dürfen nicht im selben Raum zusammen sein. Daher werden Tempel und heilige Stätten vom normalen Raum ausgegrenzt. Da auch Arbeit eine Form profaner Tätigkeit ist, scheidet man von ihr die religiöse Arbeitsruhe, d. h. die Festtage, ab. Wenn der Mensch dem Heiligen begegnen will, muss er sich alles Profanen entledigen. Zu diesem Zweck gibt es eigens Salbungen und Sühneopfer, Einsegnungen und Fasten, Nachtwachen und Klausur, sexuelle Enthaltsamkeit und Schweigen. Jedes religiöse Verbot hat asketischen Charakter. Bisweilen führt strenge und dauerhafte Entweltlichung zur völligen Veränderung des Menschen und zu einer Art «zweiter Geburt ». Aus dem Asketen wird schließlich ein Heiliger. (Heilige) Askese ist also keine Randerscheinung, sondern ein zentrales Anliegen von Religion. Zur Askese gehören Schmerz und Leiden. Im Christentum hat sich die Vorstellung erhalten, dass Schmerz und Leid reinigend und vergeistigend auf die Seele wirken. Im Schmerz bricht der Gläubige die Fesseln auf, die ihn an das Profane binden. Im Zentrum religiöser Riten steht das Opfer, bei dem die Gläubigen an einem Mahl selbst teilnehmen, das sie doch gleichzeitig Gott anbieten. Die gemeinsame Mahlzeit soll eine Art Verwandtschasftsbeziehung unter allen Teilknehmern des Essens herstellen. Alle haben teil am gleichen Fleisch und Blut, und auch Gott ist in die Gemeinschaft eingeschlossen (Abendmahl). In den Riten erneuert sich die gläubige Gemeinschaft selbst. Das gemeinsame religiöse Erleben gibt ihr Sicherheit und Kraft und ruft die gemeinsamen Traditionen und Interessen in Erinnerung. Wer sich gegen die Normen der Gruppe vergeht, bekoomt als Strafe eine Buße auferlegt. Buße ist Ausdruck öffentlicher Wut, ihre Wirkung ist Wiedergutmachung. Die Funktion von Religion besteht primär im Handeln, es geht um Wege zum Heil. Im Kult schafft und erneuert sich der Glaube und die Gemeinschaft bestätigt sich gleichzeitig selbst. Durch Theorien und Glaubensaussagen, Dogmen und Dogmatik wird die religiöse Praxis gerechtfertigt und so weit wie möglich verständlich gemacht. Religion und Tod Das Ansehen, das Religion genießt, dürfte in ihrer Leistung für den Gläubigen begründet sein. Was mehr als alles andere schmerzt, ist das Bewusstsein, eines Tages sterben zu müssen. Dieses Wissen möchte jeder klein halten und am liebsten überhaupt nicht wahrnehmen. So recht mag keiner an seinen Tod glauben, und nichts in uns kommt dem eigenen Sterben entgegen. Wenn es schon sein muss, sollte der Tod als Zufall, nicht aber als Notwendigkeit erscheinen. Todesangst stellt sich vor allem als Angst dar, überhaupt noch nicht richtig gelebt zu haben. Im Blick auf den eigenen Tod empfindet man, dass mit dem faktischen Ende noch keineswegs alle Wünsche und Vorstellungen, Träume und Energien abgegolten sind. Die Menschen bräuchten offensichtlich mehr Zeit; sie sterben voll Weigerung, ungelebtes Leben bricht ab. Diese Weigerung macht für Religion ansprechbar. An die gekränkten Lebensträume appellieren Versprechungen einer himmlischen Existenz: Das wahre Leben reicht über das tatsächlich gelebte Leben hinaus, ja, es beginnt erst jenseits des Sterbens; denn nach dem Tod lockt die Aufhebung der Frustration. Den Todeswiderstand des Menschen nimmt die Religion zum Anlass für die Umkehrung der tatsächlichen Verhältnisse: Sie erklärt die Nachexistenz für das vollwertige Leben, das durch den Tod abgeschlossene Leben indes als bloße Vorbereitung darauf. So kann dem Gläubigen nichts wirklich Schlimmes geschehen, er ist geborgen. Selbst Leid und Tod sind aufgehoben in Ordnung und Sinn.
1. Das Wort R. wird von zwei verschiedenen Wörtern der lateinischen Sprache abgeleitet, von denen das eine ein Ausdruck für das Überdenken der Pflichten war, die der römische Bürger gegenüber den Göttern zu erfüllen hatte (relegere); das andere bedeutet >gebunden sein< (religere). R. als >Verbundenheit mit Gott< wurde im Mittelalter in der christlichen Glaubenslehre geläufig. R. wird als Deutung der Welt verstanden, sie wird mitgeteilt und erlebt in Festen, Liedern, Bräuchen und Lehren. R. befähigt den Menschen, der Frage nach dem Sinn seines Lebens zu begegnen. Mit ihr versucht er, in die Geheimnisse des Lebens einzudringen, seine Rätsel zu lösen und sich in der Welt zurechtzufinden. Von der Weltanschauung unterscheidet sich R. darin, daß sie die Lösung der Sinnfrage nicht allein von Erkenntnis und Wissen erwartet, sondern vom Glauben an Gott und an seine Offenbarung. Die großen Wettreligionen bieten verschiedene Möglichkeiten, den Sinn und das Ziel unseres Lebens zu erfassen. Viele Gedanken, Lehren und Bräuche zeigen Ähnlichkeiten. Der christliche Glaube nimmt für sich in Anspruch, daß in ihm Gott selber in die Welt der R. hineinbricht. Da verehren Menschen zeit ihres Lebens Gestirne als Götter und machen sich plötzlich auf den Weg in ein fremdes Land, weil Gott sich ihnen bekannt gemacht hat (1 Mose 12). Die Menschen empfinden die Einwirkung Gottes geradezu als Störung ihres religiösen Lebens (Mk 2,18ff.). Nach christlichem Religionsunterricht Glauben aber hat Jesus die Freiheit vom Zwang der R., des >Gesetzes< (Röm 10,4), gebracht; das Evangelium ist die gute Nachricht vom Ende der R. als eines mühsamen Weges des Menschen zu Gott. Dieses Evangelium ist keine Stimme von oben oder Regung im Innern, sondern es begegnet uns in unserer Geschichte als Anrede, die zur Antwort auffordert. Der Mensch muß sich nicht mehr selbst befreien durch Opfer und ordentliches Verhalten. Dennoch wird auch das Christentum durch Bräuche und Feste immer wieder zur R. Neuere Frömmigkeitsbewegungen (z. B. Jesuspeople) zeigen die religiöse Sehnsucht des Menschen auch in unserer Zeit an (siehe Jugendreligionen; Sucht). Aber Voraussetzung für den Glauben ist das religiöse Interesse nicht. Jedem gilt das Angebot, den Weg Jesu ans Kreuz als Zeichen bedingungsloser Liebe und als Antwort auf die eigene Sinnfrage zu erkennen. M. L. Christus; Gott; Offenbarung; Sinn |
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