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Tabu (polynesisches Wort, in Europa nach 1777 bekanntgeworden), etwas, das nach stillschweigender Übereinkunft oder nach dem allgemein akzeptierten Verhaltenskodex einer Gesellschaft verboten ist. In manchen Kulturen muß das Brechen eines Tabus gesühnt werden, und in diesem Fall muß der Schamane unter Umständen auf eine »Seelenreise« gehen, um den Rat der herrschenden Gottheit oder Götter einzuholen. Es können aber auch zur Beschwichtigung der Götter besondere Opfer dargebracht oder Gebete gesprochen werden.
Tabu ist ein Wort aus dem Polynesischen und bedeutet ursprünglich wohl « das besonders Gemerkte, Ausgezeichnete, Hervorgehobene, Vorgeschriebene » im Gegensatz zum Alltäglichen und Profanen (Weltlichen). Tabu sein können Gegenstände, Handlungen oder Personen. Sie sind dann gleichsam mit einer besonderen Kraft « aufgeladen » und deshalb gefährlich. Wenn Tiere unter Tabuverbot stehen, darf man sie nicht töten oder verzehren. Auch Menschen können in bestimmten Lagen oder Zuständen unter ein zeitweiliges Tabu fallen: z. B. Frauen während der Menstruation oder im Kindbett, Krieger vor oder nach dem Kampf, Männer, die zum Jagen oder Fischen ausziehen. Auch Gegenstände, Bäume, Pflanzen, Häuser, Örtlichkeiten können tabu sein. Dann darf man sich ihnen nicht nähern, sie nicht berühren; denn eine zauberhafte Kraft hängt an ihnen, sie sind heilig. Tabuverbote bedürfen keiner Begründung. Ihre Herkunft ist dem, der sich ihnen unterwerfen muss, normalerweise unbekannt. Dennoch sind sie unausweichlich und gleichsam selbstverständlich. Manches spricht dafür, dass das Tabu in früheste Zeiten zurückreicht und älter ist als die Götter. An das Tabu, das immer ein «Du sollst nicht! », «Du darfst nicht ! » enthält, knüpfen auch die ersten Strafsysteme der Menschheit an. (Totemismus) Auch in unserer Zeit scheint das Tabu fortzubestehen: Etwa in Form zwanghafter religiöser und moralischer Forderungen, für die eine bewusste Begründung rundweg abgelehnt wird, die jedoch auch nicht zu erbringen wäre. Quelle des Tabus ist die Furcht vor dem Wirken dämonischer Mächte (Wilhelm Wundt). Denn hinter diesen steht das Gebot: Hüte dich vor unserem Zorn! Dieser könnte beim Übertreten der Tabuforderung geweckt werden. Beim Vergleich von Tabuverboten « primitiver » Gesellschaften mit Zwangsverboten von Neurotikern stellte Sigmund Freud (1856-1939) charakteristische Übereinstimmungen fest: Tabu wie Zwangsneurose äußern sich als Angst vor körperlicher Berührung oder auch nur vor « Gedankenberührung » und führen zu vielerlei Verzicht und Einschränkung. Der Mensch, der ein Tabu übertreten hat, wird automatisch selbst tabu - das Tabu ist « ansteckend ». Wer tabu geworden ist, könnte andere dazu verleiten, ihm zu folgen. Das Tabu bei Toten verbietet, Tote zu berühren. Bisweilen darf man nicht einmal deren Namen nennen; denn der Name gilt als ein wesentliches Stück der Person. Das Tabu des Toten rührt vielleicht daher, dass die Lebenden sich vor der Wiederkehr des Geistes des Verstorbenen fürchten. Seine « Seele » ist zum Dämon geworden, der Tote erscheint als Feind. (Totenbestattung) |
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