|
|
Sünde Die Lehre von der Sünde nimmt im Christentum eine zentrale Stelle ein. Sünde ist Ungehorsam gegenüber dem Willen Gottes. Angeblich kränkt der abhängige Mensch in der Sünde den Herrschaftsanspruch der souveränen Gottheit. In den verschiedenen Religionen gibt es, auch wenn der Begriff selbst fehlt, unterschiedliche Sündenvorstellungen: Sündhaft ist, was vom Heiligen trennt. Wer die Tabu-Gesetze übertritt, kann sich « verunreinigen » und « beflecken ». In Religionen, die einen persönlichen Gott kennen, wird das Sündenverständnis personal: Erzürnt reagiert die Gottheit auf die Übertretung seiner ethischen, sozialen oder kultischen Gesetze. Nach alttestamentlich-jüdischer, christlicher und islamischer Lehre ist Sünde Abkehr von Gott und Ungehorsam. Wenn hingegen (wie im Jainismus und Buddhismus) eine personale Gottesvorstellung fehlt, wird die Sünde zur Störung der ewigen Ordnung. 2. Das Alte Testament kennt religiös-sittliche (ethische) und kultisch-rituelle Sünden (Ps. 15; Ps. 24, 4; Hos. 4, 1 f.; Jes. 1, 15 ff.; Hes. 18, 5 ff.; 3. Mose 19). Verstöße gegen die Gottesdienstordnung, insbesondere der Götzen- und Bilderdienst, das Berühren heiliger Gegenstände, die Schändung des Sabbats oder der eigene Gebrauch des Opfers, das eigentlich Gott zukommt, sind schwere Vergehen und werden mit dem Tode bestraft (1. Sam. 6, 19 ff.; 2. Sam. 6, 6 ff.; 3. Mose 10, 1 ff.; 1. Sam. 2, 12ff.). Die zentrale Bedeutung der Sünde zeigt sich, wenn der sündigende Mensch der Heiligkeit Jahwes gegenübertritt. Die Propheten klagen das Volk an (Hos. 12; Jes. 1, 4 ff.; 6, 5 ff.) und fordern eine Erneuerung des ganzen «Herzens» (Jer. 31, 31 ff.). Nach der Vertreibung des ersten Menschenpaares aus dem Paradies ist die Sünde allgemein und unausweichlich geworden: Unrein und schwach sind alle Geschöpfe (Hiob 4, 17f.; Ps. 143, 2). Zuvor waren die Menschen jedoch gut und vollkommen (1. Mose 1 f.). Nicht Gott, sondern der Mensch selbst hat die Sünde verursacht: Die Menschen wollten sein wie Gott. (Adam) Das Resultat der Sünde ist Schuld. Sünde macht schuldig, und Schuld zieht Strafe nach sich. Man kann diesen Zusammenhang auch umkehren: Wer (von Gott) bestraft wird, muss zuvor gesündigt haben (2. Sam. 21). Genauso hängen Krankheit und Sünde zusammen (Ps. 6, 2 ff.; Ps. 38, 2 ff.; Hiob-buch). Jahwes Strafe ist so hart, wie die Sünde schwer ist (Jes. 5, 8 ff.). Der alttestamentliche Mythos vom Sündenfall ist Grundlage für die theologische Spekulation, die Paulus in Römer 5 anstellt: Durch einen Menschen sei die Sünde in die Welt hineingekommen und durch die Sünde der Tod. Das Kommen Jesu Christi sei verursacht durch die Sündhaftigkeit des Volkes Israel, dieses « abtrünnigen und sündigen Geschlechts » (Mk. 8, 38). Jesus proklamiert das « Reich Gottes » und fordert Buße zur Sündenvergebung. Der Gottessohn selbst hat Vollmacht, Sünden zu vergeben. Er hat sich, um dies zu verdeutlichen, sogar als ein Freund der «Zöllner und Sünder » gezeigt.Paulus war der erste christliche Systematiker der Sünde: Mit Adam kamen Ungehorsam und Tod in die Welt, « weil sie alle gesündigt haben » (Röm. 5, 12). Das « Gesetz », Weg der Juden zum Heil, erfüllt seinen Zweck nicht mehr (1. Kor. 15, 56; Röm. 8, 3). Die ganze Welt, Juden und Heiden, ist in Sünde verstrickt (Röm. 1). Der Leib wird «von der Sünde beherrscht », in ihm steckt das « Gesetz der Sünde », alle sind « Sklaven der Sünde » und « an die Sünde verkauft ». Die Menschen sind « von Natur aus » böse und verharren « im Schmutz der Unsittlichkeit und in schandbaren Leidenschaften» (Röm. 5, 12ff.). Im Anschluss an Paulus entwickelte der lateinische Kirchenvater Augustinus (35430) später die Lehre von der « Erbsünde » : Bei der Zeugung komme es zu «geschlechtlicher Begierde», und durch diese pflanze sich die Sünde von Generation zu Generation fort. Die Sünde ist Schuld und Verhängnis gleichermaßen. Zeugung und Geburt versetzen alle in den sündhaften Zustand Adams. Deshalb werden auch Kinder, die ohne Taufe gestorben sind, den ewigen Höllenstrafen (Hölle) ausgesetzt. Geschlechtsverkehr, meinte Augustinus, behindere den Empfang der Kommunion. Die « Keuschheit der Ehelosen» sei besser als die der Verheirateten.Die wichtigsten Theologen des Mittelalters erklärten den Geschlechtstrieb für verkommen und sündhaft; Bonaventura (1221-1274), Franziskanergeneral und Kardinal, hielt ihn für «verdorben und gewissermaßen stinkend». Auch die Reformatoren behaupteten, der Mensch werde in einen sündigen Zustand hineingeboren. Martin Luther (1483 -1546) sprach dem Menschen die Freiheit des Willens rundweg ab und verglich ihn mit einem Reittier, das entweder von Gott oder aber vom Satan geritten werde. Im 16. Jahrhundert hat die katholische Kirche die Erbsündenlehre dogmatisiert: Weil Adam das Gebot Gottes übertreten hat, ist er unter die Herrschaft von Tod und Teufel gefallen. Die Sünde Adams samt ihren Folgen ging durch Fortpflanzung auch auf alle Nachkommen über. In der Taufe kann die Schuld der Ursünde zwar weggenommen werden. Die « Konkupiszenz » (die « Begierde », besonders diejenige geschlechtlicher Art, die der Sünde vorausgeht) aber « stammt aus der Sünde »und «macht zur Sünde geneigt ». (Sexualität)
1. Nach christlichem Verständnis ist S. der Unglaube, der vergessen läßt, daß der Mensch Geschöpf ist, nicht Schöpfer, Mensch, nicht Gott. Im Glauben erkennt der Sünder, daß er die Gnade braucht, die Rechtfertigung Gottes, die ihn leben läßt >simul iustus et peccator< (lateinisch: >zugleich gerecht(fertigt) und SünderNatur’. Besonders folgenreich hat sich die moralische Einschätzung der Sexualität als >böser Lust< ausgewirkt. Die biblische Wahrheit, daß der Mensch in Zusammenhängen von Schuld steht, die über seine private Lebensgeschichte hinausgehen (>Erbsünde(), glaubte man mit Geschlechtsverkehr bzw. Vererbung in Verbindung bringen zu können. Ledignch in der Unterscheidung von (er läßlichen S.< und (unerläßlichen) Sünde Jods.< deutete sich in der Kirche des Mittelalters noch an, daß man den biblischen Sinn von S. Urgeschichte) nicht ganz vergessen hatte. Erst Luther (im Anschluß an Paulus und Augustinus [354siehe30]) konzentrierte alle >Sünden< wieder auf die S.: daß der Mensch glaubt, er verfüge über sich selbst und setze selbst den Sinn seines Daseins, und merkt nicht, daß er sich nur im Kreis dreht (>homo incurvatus in se ipsum< lateinisch: >der in sich selbst verkrümmte MenschElend-Erlösung-Danken< in Ps 50,15 oder Röm 7,24 ist logisch vom Dank aus gedacht). 3. Als Glaubende können Menschen sich annehmen, wie sie sind; denn sie rechnen mit dem Geist Gottes, der ihr Leben und Handeln durch das Evangelium verändert. Gott dafür danken und die eigene S. bekennen, beides gehört zusammen; menschliches Leben ist immer ein Zugleich von Glaube und S. (Mk 9,24). Immer wieder neige ich dazu, auf mich selbst zu vertrauen, statt mir die Sorge um mich selbst abnehmen zu lassen (Mt 6,24ff; 1 Petr. 5,7; 1 Kor 7,29ff.). Die Zusage der Vergebung ist nur gegen die Erfahrung zu glauben, daß Angst (Joh 16,33), Schuld (Mt 6,12) und Tod (Hiob 14,1; Ps 8,5) das menschliche Leben ausmachen. Aber gerade so, als >törichte Predigt, die unsere >Weisheit< infragestellt, kann das >Wort vom Kreuz< (1 Kor 1,18ff.), die Rechtfertigungsbotschaft uns helfen. R. S. Beichte; Gerechtigkeit; Gesetz; Vergebung Sündenbekenntnis Sündenbekenntnis Beichte; Bekenntnis; Sünde; Liturgie Sündenvergebung Vergebung; Sünde; Beichte |
|