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Unter G. verstehen wir gewöhnlich das unverdiente und unberechenbare Aussetzen einer berechtigten oder jedenfalls unvermeidbar scheinenden Strafe. Im AT ist der Begriff weiter gefaßt: Seine Bedeutung reicht von der Gefälligkeit über das Erbarmen bis zur Bündnistreue. Dabei spielt die Art der Beziehung zwischen den Partnern eine wichtige Rolle: Entweder schwingt mit, daß die G. ohne jede vorherige Verpflichtung geschenkt wird (1 Mose 6,8); oder sie beruht auf einer gefühlsmäßigen Verbundenheit (Jes 49,13.15); schließlich kann auch die unverdiente Verläßlichkeit eines Versprechens den Hintergrund bilden (Jer 3,12). Gottes G. hängt also eng mit seiner Liebe und seiner Gerechtigkeit zusammen. Im NT spitzt sich der Sinn von G. auf die Bedeutung zu, daß wir >ohne Verdienst gerecht (werden) aus seiner G. durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist< (Röm 3,24). Der G.-Weg des Evangeliums schließt den Rechtsweg des Gesetzes aus (Gal 5,4). Darum ist selbst der Glaube G. 68 (Eph 2,8); und die >Begabungen< und Liebestaten, die aus dem Glauben erwachsen, können G.-Gaben heißen (1 Kor 12,1 ff.). Schon bald verschob sich in der Geschichte der Kirche aber der Akzent auf die G.-Mittel; man versuchte, die G. verfügbar zu machen und bestimmte Voraussetzungen für sie festzulegen. Zwei Fragen standen im Mittelpunkt: Kann die Kirche kraft ihrer Heiligkeit G. Gottes zuteilen und verweigern? Und: Kann der einzelne durch bestimmtes Verhalten Voraussetzungen schaffen, um bei Gott G. zu erlangen? Von der Reformation wurden beide Fragen verneint: Die freie G. Gottes läßt sich nicht durch Priester oder Papst verwalten, und der einzelne kann nichts dazu tun, als sie im Glauben anzunehmen. Die sich bald entwickelnden Rechtsordnungen schränkten freilich auch in den evangelischen Kirchen diesen Grundsatz wieder ein (z. B. wenn die Zulassung zum Abendmahl an bestimmte Voraussetzungen geknüpft wurde). Jeder ist in seinem Glauben und Vertrauen allein auf Gott gestellt. Daß ich lebe und daß ich trotz meiner Sünde weiterleben darf, danke ich allein der G. Gottes. Aber die Erfahrung, daß Gott mir gnädig ist, läßt mir, wenn ich sie ernst nehme, keine Ruhe, sondern bringt mich in Bewegung. Ich bin beschenkt worden und kann deshalb schenken lernen. So gesehen, läßt sich G. mit Glück vergleichen. A. R./K. v. M. Evangelium; Gerechtigkeit; Gesetz |
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