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Protestantismus (Evangelische Kirchen)

 
       
  Protestantismus (Evangelische Kirchen) 1. Seit dem Protest der evangelischen Fürsten und Städte auf dem Reichstag von Speyer 1529 gegen die Katholiken (« In Sachen Gottes Ehre und der Seelen Seligkeit belangend muss ein jeglicher für sich selbst vor Gott stehen und Rechenschaft geben ») nennt man die Anhänger der Reformation « Protestanten ». Charakteristisch für den Protestantismus sind seine konfessionellen Aufspaltungen. Nach dem Augsburger Religionsfrieden (1555) wurden die deutschen Reichsstände ermächtigt, das Bekenntnis ihrer Untertanen zu bestimmen. Dies führte zu einer Vielzahl unterschiedlicher reformatorischer Kirchen. Das territoriale Nebeneinander selbständiger Landeskirchen ist bis heute erhalten geblieben. Als eigentliche Erben der lutherischen Reformation (Luther) verstehen sich die lutherischen Kirchen, die heute etwa 70 Millionen Mitglieder haben und ein Viertel der protestantischen Kirchen ausmachen. Ein anderer Typus, der reformierte Protestantismus, geht auf Zwingli (1484 - 1531) und Calvin (1509 - 1564) zurück. Auch die Freikirchen sind von reformatorischen Einflüssen geprägt. Die anglikanische Kirchengemeinschaft (Protestantische Episkopalkirche in den USA) versteht sich als « katholisch » und betont dennoch gleichzeitig ihre Zugehörigkeit zum Protestantismus. Die Anglikanische Kirche Englands mit lutherisch-calvinistischem Mischbekenntnis entstand als Staatskirche nach der Lösung König Heinrichs VIII. von Rom. 2. Zentrale theologische Auffassungen, die die protestantische Frömmigkeit charakterisieren, sind die lutherische Rechtfertigungslehre und die Zwei-Reiche- bzw. Zwei-Regimenten-Lehre. Während die römisch-katholische Theologie die Begegnung zwischen Gott und Welt bevorzugt mit der Lehre der Inkarnation (Menschwerdung Christi) beschreibt, hebt die reformatorische Theologie die Ansicht hervor, dass sich Gott und Mensch in der kirchlichen Verkündigung dauernd personal begegnen: Gott offenbart sich in « Gesetz » und « Evangelium ». (Offenbarung) Das Gesetz verlangt die Liebe zu Gott und zum Nächsten; gleichzeitig klagt es das Unvermögen des Menschen an, die Gebote Gottes zu halten. Das Evangelium begegnet dem Menschen hingegen als « frohe Botschaft » der Gnade und Verheißung. Im Glauben an Gott und sein eigenes « Sünder-Sein » nimmt der Mensch diese Gnade an. Das ist die «Rechtfertigung allein aus dem Glauben ». Mit dem Gerechtsein geht die « Heiligung » (das rechte Tun) einher, sodass Person und Werk, Gabe und Aufgabe des Menschen eine Einheit bilden. Die Rechtfertigungslehre beschreibt die Situation des Menschen vor Gott. Vom Menschen in der Welt handelt indes die Zwei-Regimenten- oder Zwei-ReicheLehre. Dabei geht es um das Verhältnis der «Wirklichkeit Gottes » zur «Wirklichkeit des Menschen ». Das «weltliche Reich » oder « weltliche Regiment Gottes » zielt auf Erhaltung menschlichen Lebens. Deshalb gibt es die göttlichen Ordnungen von Ehe und Familie, Stand und Beruf, Volk und Staat, Kultur und Wirtschaft. Nach protestantischer Auffassung bildet die Rechtfertigungslehre die Mitte der Theologie. An ihr entscheidet sich überhaupt rechte und falsche Lehre. Die Zwei-Reiche-Lehre hat im Luthertum zu einer immer stärkeren Distanzierung der Kirche von der «Welt» geführt. Bisweilen fiel « Kirchlichkeit » geradezu mit Desinteresse an Politik und mit Rückzug aus Staat und Gesellschaft zusammen. Nach reformatorischer Auffassung findet Kirche als « Gemeinschaft der Gläubigen » vor allem in der Ortsgemeinde statt. Die Organe der Ortsgemeinde sind Kirchenvorstand (Presbyterium) und Pfarrer, ihre Betätigungsfelder Gottesdienst, Seelsorge, Unterricht und Diakonie. Mehrere Ortsgemeinden bilden einen Kirchenkreis (Dekanat), dessen Organe die Kreissynode, der Dekan (Superintendent) und der Kreissynodal-vorstand sind. Die meisten Landeskirchen haben sich mit anderen zusammengeschlossen. Die Evangelische Kirche der Union (EKU), gegründet 1953/54, will «die Gemeinschaft kirchlichen Lebens der in ihr verbundenen lutherischen, reformierten und unierten Gemeinden » pflegen. ,Die Vereinigte Evangelisch-lutherische Kirche Deutschlands (VELKD ) wurde 1948 gegründet. Sie ist nicht nur ein Kirchenbund, sondern « geeint in dem gleichen Bekenntnis und gerufen zum gemeinsamen Bekennen und einheitlichen Handeln » (Verfassung). Ihre Organe sind die Bischofskonferenz mit dem Leitenden Bischof, die Generalsynode und die Kirchenleitung. 1884 wurde der Reformierte Bund gegründet. Er « bekennt sich zu Jesus Christus als dem einen Wort Gottes, wie es in der Heiligen Schrift des Alten und Neuen Testaments gegeben und wie es bezeugt ist in den altkirchlichen Glaubensbekenntnissen, in den reformierten Bekenntnisschriften, insbesondere im Heidelberger Katechismus [1563 von Ursinus und Olevianus verfasst], und wie es bekannt ist in der Barmer Theologischen Erklärung von 1934 ». Im Kirchenkampf während des Dritten Reiches stand der Reformierte Bund auf der Seite der Bekennenden Kirche. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Deutsche Evangelische Kirche (DEK) neu geordnet. 1948 verabschiedeten Vertreter von 28 Landeskirchen in Eisenach die « Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland », eines Bundes lutherischer, reformierter und unierter Kirchen. Ihre Aufgaben sind u. a. die Förderung der Theologie, des Kirchenrechts, der Kirchenmusik, der kirchlichen Kunst, der kirchlichen Publizistik und der kirchlichen Werke und Verbände. Nach der Vereinigung der Bundesrepublik Deutschland mit der Deutschen Demokratischen Republik schlossen sich auch die beiden protestantischen Kirchenbünde zusammen, indem die acht östlichen Landeskirchen ihre Mitgliedschaft in der EKD wieder aufnahmen.  
 

 

 

 
 
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