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Urchristentum

 
       
  Urchristentum Mit dem Namen «Urchristentum » bezeichnet man die Christen der ersten bis dritten Generation nach dem Tod des Jesus von Nazareth, also der Zeit zwischen 30 und etwa 100 n. Chr. Im Urchristentum sieht die christliche Kirche ihr grundlegendes Erststadium, in dem sich ihre Tradition herausbildete und das Christentum überhaupt erst Kirche wurde. Träger des Urchristentums waren hauptsächlich Angehörige des ungebildeten, armen Volkes in Jerusalem (Urgemeinde) und Kleinbauern des Landes, die durch großen Steuerdruck und häufig durch Schuldknechtschaft ausgesogen wurden. Politische und wirtschaftliche Unterdrückung hatte zu zahlreichen Rebellionen und Aufständen geführt. Da richteten sich politische, soziale und religiöse Erwartungen auf den Anbruch einer glücklicheren Zukunft. Wie Jesus, so verkündete auch das Urchristentum den Anbruch des « Reiches Gottes » : Wer hineinkommen will, müsse sich zuvor völlig verändern, die Sorge um das irdische Leben vergessen und alle Hoffnung auf Gott richten. Diese Botschaft versetzte die Leidenden und Unterdrückten in eine begeisterte Hoffnung (« Naherwartung »). Sie erwarteten ungeduldig den Anbruch des wunderbaren Zeitalters und befürchteten bloß, bis dahin nicht mehr alle « Heiden » missionieren zu können. Ihre Sehnsucht richtete sich aber nicht nur auf materiellen Ausgleich ihres Mangels und ihrer Bedürfnisse; sie sannen auch auf Rache an den Herrschenden, Reichen und Gelehrten. Ihr Hass galt vor allem den Pharisäern und Zöllnern. «Wohlan nun, ihr Reichen, weinet und heulet über das Elend, das über euch kommen wird! Euer Reichtum ist verfault, eure Kleider sind von Motten zerfressen ...» (Jak. 5, 1 ff.) Untereinander verkehrten die ältesten Christen jedoch brüderlich und « demokratisch ». Gleichgültig war man gegenüber Macht und Institutionen; man fühlte sich als « Fremdling und Gast auf Erden ». Nichts war auf Dauer angelegt. Wer es nötig hatte, wurde von den anderen wirtschaftlich unterstützt. Unterdrückung von außen, gegenseitige Hilfe, gemeinsame Wut auf die Wohlhabenden und die gleichen Hoffnungen hielten die Gemeinschaft zusammen. Da die reale politische Verwirklichung dieser Erwartungen jedoch aussichtslos war, richteten sie die Christen auf Jesus. Er galt ihnen als der verheißene Messias, den Gott nach seinem Tod am Kreuz auferweckt und erhöht hatte, um ihn demnächst wieder zu schicken, damit er dann endlich sein Reich der Herrlichkeit aufrichten könne: Gott hat diesen Jesus, den seine Gegner hingerichtet haben, «zum Herrn und Christus gemacht» (Apg. 2, 36). Während die Urgemeinde noch erklärt hatte, Jesus sei nach der Auferstehung zum machtvollen Gottessohn und königlichen Weltenherrscher geworden, meinte Paulus, er sei dies schon von Anfang an gewesen. Mit dem Menschen Jesus, der zu Gott wurde, konnten sich die Unterdrückten und Leidenden identifizieren. Wer selbst im Alltag gequält und gedemütigt war und «sein Kreuz tragen» musste, gelangte mit dieser Identifizierung in die Nähe Gottes, wurde gottähnlich, ja selbst vergottet. Das erklärt den raschen Erfolg, mit dem sich die neue Religion unter den Massen ausbreitete. Die ersten Adressaten der christlichen Mission waren Juden in Palästina; später wandte sich das Christentum an die «Heiden» im gesamten römischen Weltreich. (Mission) Die soziale Zusammensetzung der christlichen Gemeinden änderte sich dadurch zunächst nicht. « Nicht viele Weise nach dem Fleisch, nicht viele Gewaltige, nicht viele Edle sind berufen ... Das Unedle vor der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt.» (1. Kor. 1, 26 ff.) Auch die ersten Heidenchristen entstammten den untersten Volksschichten; es waren kleine Handwerker, Sklaven, Freigelassene. Aber nach und nach drangen auch Gebildete und Wohlhabende in die christlichen Gemeinden ein. Paulus, Sohn reicher römischer Bürger, war selbst Pharisäer und Intellektueller. Vor allem begüterte Kaufleute gewannen Bedeutung für die Ausbreitung des Christentums. Auch zahlreiche Frauen aus vornehmen Familien taten sich hervor. Am Ende des 2. Jahrhunderts war das Christentum keine Sklaven- und Handwerkerreligion mehr. Es wurde zur Glaubensgemeinschaft der vornehmen Klassen des römischen Weltreichs. Im Lauf der ersten drei Jahrhunderte nahm die unmittelbare Naherwartung des Christentums immer mehr ab. Die Christen legten jetzt nicht mehr alle Betonung auf die endzeitliche Vollendung und schauten stattdessen zurück auf das Heil, das angeblich schon angebrochen war: In der Erhöhung des Messias hatte sich alle Hoffnung bereits erfüllt. Das begeistert-apokalyptische Bewusstsein trat damit zurück und verschwand schließlich fast ganz. An die Stelle der Erwartung auf die Wiederkunft des Herrn (Kyrios) rückte die Erinnerung an sein einstiges Dasein unter den Menschen. Später riefen sich immer wieder solche Schichten die christliche Naherwartung ins Gedächtnis zurück, die wirtschaftlich und gesellschaftlich in einer ähnlichen Situation der Unterdrückung und Ausbeutung lebten wie das Urchristentum. Sie mussten sich dann gewöhnlich gegen die etablierte Kirche wenden, weil diese sich kaum an der Zukunft, hingegen sehr betont an der Vergangenheit orientierte. Deshalb bekämpften die Kirchen ihre christlichen Gegner als « Schwärmer » und « Ketzer ». Für sie selbst war das Entscheidende längst erfolgt: die Erscheinung Gottes in Jesus. Deshalb brauchten die herrschenden Verhältnisse auch nicht verändert zu werden. Dabei schlossen sich Kirche und Staat immer enger zusammen. Aus dem Christentum als einer Religion der Unterdrückten wurde nach und nach eine Religion der Herrschenden und der Massen, die sich beherrschen ließen. Aus der autoritäts- und staatsfeindlichen urchristlichen Gemeinschaft von Brüdern und Schwestern entstand eine Kirche, die in ihrer Hierarchie und Bürokratie die absolute Monarchie des Römischen Reiches widerspiegelte. Kirchliche Führer entwickelten nun auch eine verbindliche Glaubenslehre (Dogmatik) und wählten diejenigen frühchristlichen Schriften aus, die ein für alle Mal als heilig zu gelten hatten. (Kanon) An die Stelle Gottes, der einst allein für Heil oder Unheil zuständig gewesen war, trat die Kirche und behauptete, außerhalb ihrer selbst gäbe es kein Heil. Darüber hinaus erklärte sie sich selbst für heilig; die Gewalt über die Gläubigen übte sie durch ihre Priester und Bischöfe aus. So wurden die Massen in das kirchliche und staatliche Herrschaftssystem eingepasst. (Konstantin der Große) Erinnerungen an revolutionäre Impulse der Frühzeit gingen darüber fast völlig verloren. Während die frühen Christen aus ihrem Hass gegenüber den Reichen keinen Hehl gemacht und diesen alle Schuld an ihrer Misere zugeschrieben hatten, interpretierte die christliche Religion ab dem 4. Jahrhundert das Jammertal ihrer Anhänger als Folge eigener Sünden und Verfehlungen; an die Stelle berechtigter Vorwürfe an die Adresse der Herrschenden traten Selbstvorwürfe der Gläubigen.

Bezeichnung für die ersten christlichen Gemeinden, noch zu Lebzeiten der Apostel. Erzählungen darüber in der Apg. Christentum; Theologie
 
 

 

 

 
 
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