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Militärseelsorge Die religiöse und kultische Betätigung von Schamanen und Priestern unter Soldaten und in Kriegsheeren reicht bis ins Altertum zurück. Sie wandelte sich in der Neuzeit, als stehende Heere eingerichtet wurden, zu einer dauerhaften Institution. Die christliche Militärseelsorge, eine Fortsetzung kriegsbegleitender magischer Praktiken der « Naturvölker », geht auf Konstantin den Großen (306 -337) zurück. Seither spiegelt sie das einvernehmliche Miteinander von Kirche und Staat in charakteristischer Weise wider. Aufgabe der christlichen Militärseelsorge ist es, Soldaten humanitär zu betreuen und ihnen klar zu machen, dass Militär- und Kriegsdienst mit dem Christentum durchaus vereinbar sind; die Seelsorge trägt zur Stärkung der Kampfmoral unter den Soldaten bei. Während der Wilhelminischen Zeit (zwischen 1888 und 1918) haben sich die Grundlagen der modernen Militärseelsorge entwickelt. Ihr wurde der ideologische Kampf gegen den Sozialismus und die religiöse Propaganda für den preußisch-deutschen Nationalstaat als gottgewollter, rechtmäßiger Obrigkeit übertragen. Die Monarchie bedachte die christlichen Kirchen im Gegenzug mit zahlreichen Privilegien. Zu den kennzeichnenden magisch-religiösen Symbolen des Militärkirchenwesens gehört die Fahne. Bei Militär-und Feldgottesdiensten wurde sie in unmittelbarer Nähe des Altars (beim « Allerheiligsten ») aufgestellt, um sie der gottesdienstlichen Opferhandlung zuzuordnen. Wie sich Gott in Christus für die Menschen geopfert hat, so soll sich der Mensch für Gott opfern. Mit diesem Gedanken stimmt der Militärgottesdienst die Soldaten auf Kampf und Schlacht als Selbstopfer ein. Durch den Fahneneid wird aus dem «Waffendienst» ein «Dienst Gottes». Die kirchliche Weihe von Truppenfahnen geht mindestens bis ins 11. Jahrhundert zurück. Unter Anwesenheit von Militärgeistlichen mussten die Soldaten einen Eid auf die Fahne schwören und sich zum Gehorsam verpflichten. Gleichzeitig versuchten kirchliche Predigt und religiöse Unterweisung zu verhindern, dass sich die Soldaten ihrer tatsächlichen Situation bewusst wurden. Christliche Militärseelsorge griff gern auf die Verehrung militärischer Schutzpatrone und Soldatenheiliger zurück, die zum Kriegsdienst motivieren und die Soldaten zum rechten Verhalten anleiten sollten. Jede militärische Waffengattung hatte ihren eigenen Schutzpatron, die Infanterie den heiligen Mauritius, die Kavallerie den heiligen Georg, die Artillerie die heilige Barbara, die Pioniere den heiligen Josef. Die evangelische Militärseelsorge hielt sich ihrerseits an militärische Vorbilder aus der biblischen Überlieferung; so galt zum Beispiel der «Hauptmann von Kapernaum » (Mat. 8, 5 - 13) als Muster des christlichen Offiziers. (Heilige) Die Militärseelsorge hat oft die «Blutsverwandtschaft » zwischen Krieg und Christentum gepriesen: Militär und Monarchie erschienen dabei als Verkörperungen unverfälschten Christentums und gottgewollte Institutionen. In der Weimarer Reichsverfassung wurde weder das Verhältnis zwischen Staat und Kirche grundsätzlich neu bestimmt, noch die Militärseelsorge umgestaltet. Selbst die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten beeinflusste das kirchliche Engagement unter den Soldaten kaum. Am 20. 7. 1933 schloss der Vatikan mit dem Deutschen Reich ein Konkordat, das die Militärseelsorge nach traditionellem Muster regelte. Als sich im « Kirchenkampf » in der evangelischen Kirche einige Zivilgeistliche, die militärseelsorgerlich tätig waren, der Kirchenpolitik Hitlers widersetzten, verfügte der Oberbefehlshaber der Wehrmacht, dass nur noch beamtete Geistliche, die vor Regierungsvertretern eigens eine kirchenpolitische Prüfung abgeleistet hatten, zur Militärseelsorge zugelassen wurden. Während des Dritten Reiches wurden ein Protestant, sieben Katholiken, zwei Quäker, sieben Mitglieder der SiebenTage-Adventisten und etwa siebentausend Zeugen Jehovas, die den Kriegsdienst konsequent verweigerten, verurteilt und hingerichtet. Den überwiegenden Teil der Zeugen Jehovas brachte man ohne juristische Verfahren in Konzentrationslagern und Haftanstalten um, 203 von ihnen verurteilten die Gerichte zum Tod. Als über den einzigen kriegsdienstverweigernden Protestanten, Hermann Stöhr, am Mittelalter seine Kirche, die um Unterstützung gebeten worden war, außerstande zu intervenieren. Fünf Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kam eine Diskussion über die Wiederaufrüstung der Bundesrepublik Deutschland in Gang. Die Bestrebungen der damaligen CDU/CSU-Regierung nach atomarer Aufrüstung führten in den fünfziger Jahren zu einer Kontroverse um Wehrdienst und Kriegsdienstverweigerung. Kritiker der Atomrüstung wurden daraufhin als Sympathisanten des Kommunismus beschimpft. Befürworter der atomaren Aufrüstung der Bundeswehr fanden sich vor allem im Lager der Lutheraner: Die Atombombe sei eine «Zuchtrute Gottes »; durch sie werde der Westen vor einem bolschewistischen Überfall geschützt. 1957 schlossen Bundesregierung und Evangelische Kirche in Deutschland einen neuen Militärseelsorgevertrag. Damit stimmte das evangelische Kirchenparlament der Wiederaufrüstungspolitik der Regierung Adenauer zu. Für die katholische Militärseelsorge gelten die Bestimmungen des Konkordats zwischen dem nationalsozialistischen Deutschen Reich und dem Vatikan vom 22. Juli 1933 fort. |
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