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Soziales Christentum (Religiöser Sozialismus)

 
       
  Soziales Christentum (Religiöser Sozialismus) Im Lauf der Geschichte der Kirche in der Neuzeit hat es wiederholt Versuche gegeben, sich kritisch mit den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen auseinander zu setzen und die sozialen Impulse und Auswirkungen des Christentums zu betonen. 1. Im 19. Jahrhundert begann eine weit um sich greifende Entkirchlichung und Entchristlichung großer Bevölkerungskreise vor allem in den unteren Schichten. Diese Entwicklung ging mit wachsendem sozialen Elend einher. Da riefen einzelnen christliche Persönlichkeiten insbesondere aus den Kreisen der Entwicklungsbewegung zu tätiger Liebe auf Diakonie. Als sich im Gefolge fortschreitender Industrialisierung Elendsviertel in den Städten bildeten, ergriffen die Erweckten erste Hilfsmaßnahmen. Die Armen und Gottlosen sollten nicht nur missioniert, sondern auch praktisch unterstützt werden. In den Befreiungskriegen gegen Napoleon (1812/1813) verloren unzählige Kinder ihre Eltern. In Waisenhäusern nahm man sich ihrer Not an. Solche Rettungsanstalten riefen z.B. Johannes Daniel Falk (Lutherhof in Weimar, seit 1813) und A. von der Recke- Volmerstein (Düsselthal bei Düsseldorf, seit 1822) ins Leben. Theodor Fliedner (1800-1864) gründete 1836 eine Diakonissenanstalt in Kaiserswerth, Amalie Sieveking (1794-1859) einen weiblichen Verein für Armen und Krankenpflege in Hamburg (1832) Mit ihrem praktischen Engagement wollten die Erweckten zur Errichtung des Reiches Gottes beitragen. In England versuchte Johann Wilhelm Rautenberg (seit 1825) die Kinder der Elendsviertel zum « Leben nach Gottes Wort» zu erziehen. Von ihm fühlte sich Johann Hinrich Wichern (1808 -1881) zum Aufbau des « Rauhen Hauses » in Hamburg angeregt, wo « Kinder gottloser Eltern » in einer dem christlichen Familienkreis nachgebildeten Gemeinschaft herangezogen wurden. Darüber hinaus war es Wicherns Ziel, die ganze Nation zu erneuern. Er bedauerte die «Unmoral» der unteren Schichten des Volkes, die er darin begründet sah, dass dort die christliche Glaubensüberzeugung fehlte. Die Anstalten und Vereine sollten die kirchliche Verkündigung praktisch ergänzen und wirksamer machen. «Innere Mission » - so Wichern - müsse dem Kommunismus entgegentreten, der im Begriff schien, die gegebenen Ordnungen aufzulösen, indem er zur Revolution gegen die monarchische Verfassung aufrief. Anstatt der kommunistischen sollte das Volk die christliche Heilsbotschaft annehmen. Im Revolutionsjahr 1848 wurde ein Nationaler Kirchentag in Wittenberg einberufen. Dort trug Wichern sein Programm vor und gründete den « Zentralausschuss der Inneren Mission ». 2. Neben Wichern versuchten auch andere, soziale Vorstellungen und Gedanken des Neuen Testaments miteinander zu verknüpfen und eine sozialistische Bewegung aus dem Handeln Gottes zu begründen. Ein Vorläufer des « Religiösen Sozialismus» war Wilhelm Weitling (1808 - 1871 ). Seiner Meinung nach gibt es im Christentum « vortreffliche Prinzipien », « welche der Prüfung wert sind und ohne Zweifel das Glück der Menschheit bezwecken werden, wenn die Möglichkeit ihrer allgemeinen Verwirklichung gefunden wird ». Nach der Ansicht Weitlings zielt die « Lehre Christi » auf Gerechtigkeit ab. Deshalb sollte « biblisches Denken » stärker auf die gesellschaftlichen Verhältnisse angewendet werden. Johann Christoph Blumhardt (1805 - 1880) und sein Sohn Christoph Blumhardt (1842 - 1919) erwarteten eine fundamentale Veränderung der Verhältnisse vom Kommen des Reiches Gottes. Der jüngere Blumhardt bezog dabei den « Sieg Jesu in der Welt» auf die sozialen Probleme der Armen und Elenden. Mit diesen Gedanken beeinflusste er die Schweizer Leonhard Ragaz (1868-1945) und Hermann Kutter (1869-1931), die die herrschende soziale Ungerechtigkeit als Folge menschlicher Sünde bezeichneten und gleichzeitig erklärten, die Sozialisten seien Werkzeuge in Gottes Hand, um die verheißene neue Lebensgemeinschaft des Reiches Gottes in die Welt zu bringen. Unter den Katholiken trat der Münchener Philosoph Franz von Baader (1765 -1841) mit sozialreformerischen Ideen hervor. Geistliche wie Adolf Kolping (1813 -1865), der Gründer des ersten Gesellenvereins, und der Mainzer Bischof von Ketteler (1811-1877), der die Forderung nach einem neuen sozialen Katholizismus erhob, blieben in ihrem sozialen Engagement isoliert. Die Päpste ließen sich erst spät zu Stellungnahmen über die « soziale Frage » bewegen. Leo XIII. bezeichnete 1891 die Lage der Arbeiter zwar als ein «sklavenähnliches Joch », den Sozialismus aber als eine « verheerende Seuche » und « offenbare Ungerechtigkeit ». 1926 wurde in Deutschland der «Bund religiöser Sozialisten » gegründet. Schon 1930 warnten dessen Mitglieder vor dem « Faschismus als einer Gefahr für das Christentum ». Als sie sich dabei auf Karl Marx als Gewährsmann für ihre Auffassung von Wirtschaft und Gesellschaft beriefen, wurde der Bund durch die NS-Machthaber verboten. 1949 organisierte er sich neu und gab sich 1957 den Namen « Gemeinschaft für Christentum und Sozialismus ». 3. Seit dem 20. Jahrhundert engagiert sich eine zunehmende Anzahl von Christen in allen fünf Erdteilen für die Befreiung der Völker, die in Abhängigkeit und Unterdrückung leben. Gleichzeitig suchen sie nach neuen Formen des Glaubens, den sie mit politischer Praxis verbinden wollen. Dabei schließen sie sich oft den proletarischen Parteien und Volksorganisationen ihrer Länder an. Die « Botschaft des Evangeliums » verstehen sie als eine « befreiende Kraft » und kritisieren das etablierte Christentum, das sich mit dem herrschenden System der Ausbeutung verbündet habe.  
 

 

 

 
 
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