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Kristallsehen, eine Form der Selbsthypnose, bei der Spiegel, Wasser oder geschliffene Steine benutzt werden, um einen Trancezustand herbeizuführen. Als weitere Hilfsmittel dienen Drogen und Salben bzw. Augenwasser. Das schon bei Agrippina von Nettesheim und Paracelsus erwähnte K. benutzte Dee bei seinen magischen Operationen, die ihm Zugang zu der Engelswelt verschafften. Besonders im England des 19. Jh. war das K. eine beliebte Methode, um sich einen Zugang zum Unter-bewußten zu verschaffen. Es spielte sich in einer rituellen Form ab: Der Ausführende stand in einem magischen Zirkel mit brennenden Kerzen und Weihrauch und benutzte einen Zauberstab, um die Geister in den Spiegel heraufzubeschwören.
Kristallsehen, auch Kristallomantie, bezeichnet alle Verfahren, durch Betrachten von spiegelnden, leuchtenden oder durchsichtigen Körpern Visionen oder innere Erfahrungen zu provozieren. Hist. sind verschiedene Techniken der halluzinatorischen Mantik zu unterscheiden (z. B. Hydromantie, mit Unterarten Katoptromantie, Lithomantie und Onychomantie; Mantie). Die mantischen Traditionen Babyloniens, Persiens, Ägyptens und des klassischen Altertums finden dabei ihre Fortsetzung in den specularii, den Sehern des MA.s. »übernatürliche« und »natürliche« Erklärungen des K.s stehen sich seit der Antike gegenüber: Die Theoretiker des Übernatürlichen postulierten die Vermittlung einer Gottheit, Gottes oder böser Dämonen, natürliche Erklärungen vermuteten Betrug oder, interessanter, eine optische Reizung des imaginativen Vermögens, das manchen Personen in besonderem Maße eignen sollte (so z. B. die Erklärung Agrippas von Nettesheim). Dee, der, wie es scheint, hauptsächlich akustische Halluzinationen erfuhr, sagte —nach den erhaltenen Protokollen — zu den mit ihm kommunizierenden Engeln: »Ich meine, ihr habt keine für das Sprechen geeigneten Organe oder Instrumente, sondern seid lediglich geistig und nicht körperlich, aber ihr habt die Fähigkeit und Eigenschaft, von Gott Bild und Botschaft dem Auge und Ohr zu übermitteln, so daß die Menschen sich einbilden, euch mit den Sinnen zu sehen und zu hören.« K. wurde auch in den künftigen Jh.en betrieben; neue Akzente erhielt es in der Zeit des animalischen Magnetismus: Es half bei der Herbeiführung des magnetischen Zustands. Die Hauffe z. B. brauchte, wenn sie sich eines Traumes nicht mehr erinnern konnte, nur auf eine Seifenblase zu starren, und der Traum stand wieder vor ihrem inneren Auge. Im 19. Jh. fanden außerdem, teils unabhängig vom Mesmerismus und verbunden mit dem Spiritismus, kristallseherische Versuche statt, die einen Verkehr mit Geistern anstrebten, so z. B. in den Experimenten von Vay. Rein rationalistisch waren Braids Erklärungen, der Personen hypnotisierte unter Verwendung eines glänzenden Gegenstands (sog. Braidscher Spiegel), den die Vpn fixieren mußten. -r Janet griff die kristallomantischen Versuche der Mesmeristen und ihrer Nachfolger auf und schlug eine Erklärung der Phänomene durch die Annahme einer unbewußten geistigen Tätigkeit vor; er betonte, daß diese Visionen als fremd erlebt werden, unwillkürlich sind und dennoch Beziehungen zum bewußten Geistesleben aufweisen. Janet ging von einer psychischen Disposition zum K. bei bestimmten Personen aus; Forscher um Myers dagegen glaubten, jedermann sei der Kristallvision fähig. Seit der Jh.wende wurden vereinzelt Experimente mit K. durchgeführt. Dabei leistete Bender einen wichtigen Beitrag: Es gelang ihm, die Kristallvision als »sensorischen Automatismus« experimentell nachzuweisen. In einer interessanten Versuchsanordnung arbeitete er mit einer sog. »Schusterkugel« (wassergefüllte Glaskugel, die Schuster früher aufhängten, um das Licht einer dahinter befindlichen Lichtquelle zu konzentrieren). Es war möglich, in diese Kugel eine Gesichtsmaske zu projizieren, ohne daß es die Vpn bemerken konnten. Der Vergleich zwischen physikalischer Projektion und psychischer Halluzination ermöglichte es, bei der einzelnen Vp. den Charakter der Vision genauer zu bestimmen. — Nach der heutigen Arbeitsteilung in den Wiss.en gehören diese Versuche ins Gebiet der Ps., Tiefenps. und Medizin; erst wenn paranormale Inhalte sichtbar werden, wird das K. zum Forschungsgegenstand der Pps.
Kristallsehen, eine Form des Wahrsagens, bei der ein Medium unverwandt in eine Kristallkugel schaut. Im hierdurch erzeugten Trance-Zustand hat es anfangs verschwommene, nach Angaben vieler Sensitiver aber zunehmend klarere Gesichte: Vor seinen Augen erstehen Bilder von besonderer visionärer Kraft und Aussage. Nach Okkultistenmeinung steigert die Kristallkugel das paranormale Wahrnehmungsvermögen des Mediums, ohne die genannten Erscheinungen selbst hervorzurufen.
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