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Das Zeitalter der Unsicherheit

 
       
  Für den Fall, dass irgend jemand glaubt, das geschilderte Bild sei übertrieben oder als Satire gemeint, wollen wir darauf hinweisen, dass zwei kürzlich durchgeführte Umfragen zeigen, wie das öffentliche Vertrauen in die Medien, die uns angeblich »informieren«, auf ein nie dagewesenes Tief gesunken ist. Eine Umfrage des Wall Street Journal/NBC fand heraus, dass nur 21 Prozent der Antwortenden die Presse als »sehr« oder »meistens« ehrlich bewerteten. Das heißt, dass fast 80 Prozent von uns nicht mehr soviel Vertrauen in die Medien (Fernsehen, Radio, Zeitungen) haben, wie das einmal der Fall war. Ganz ähnlich fand eine Gallup-Umfrage heraus, dass nur 29 Prozent von uns »eine ganze Menge« Vertrauen speziell in die Zeitungsmedien haben. Etwa sieben von zehn Leuten haben also wachsende Zweifel und Mißtrauen einem Medium gegenüber, in dem wir einmal die Fakten hinter den unzusammenhängenden »sound bytes« von Radiound Fernseh-»News« gesucht haben. Wenn aber die meisten Leute Geschichten oder Modelle brauchen, um die Welt zu erklären, und den Medien nicht mehr glauben, wem können sie dann trauen? Niemandem. Wie können sie dann Entscheidungen treffen? Als Reaktion nehmen sie mehr und mehr an, dass Realität genau das Gegenteil von dem ist, was ihnen die Stimme der Autorität erzählt. Ich persönlich sehe das alles von einem außergewöhnlichen Aussichtspunkt aus. Verschiedene Umstände haben sich verbunden, um mich in eine einzigartige Position im Spektrum der Verschwörungsliteratur zu versetzen. 1969 bis 71 schrieb ich mit dem verstorbenen Robert Shea Illuminatus! Dieses Buch parodiert populäre Verschwörungstheorien der 6oer, und zwar in einer absichtlich ungeordneten Weise. Die Perspektive war »Post-Joyce-anisch«, weil dem Leser nicht gesagt wurde, was er dem allwissenden Erzähler traditioneller Fiktion glauben konnte, eher wurde es ihm/ihr überlassen, wie viel oder wie wenig er/sie ernst nehmen wollte von all den Weltmodellen oder »großen Stories«, die von sich wild wiedersprechenden und manchmal durchgeknallten Erzählern geboten wurden. Die Theorie von Joyces Unsicherheitsprinzip ist viel abstruser und verwickelter, als in dieser kurzen Bemerkung erklärt werden kann, aber im allgemeinen meine ich, wenn ich diesen Begriff verwende, die Art Buch, die sich wie Ulysses nicht als fertig gelöstes Rätsel präsentiert, sondern als ein Rätsel, an dem man arbeiten muß. Illuminatus! wird bis heute (1999) immer noch nachgedruckt, 24 Jahre nachdem es zuerst im Jahr 1975 aufgelegt wurde. Es wurde in verschiedene Sprachen übersetzt und als Bühnenstück in Liverpool, London, Amsterdam, Cambridge University, Frankfurt und Seattle aufgeführt. Aus diesem Grunde bekomme immer noch Post oder Zeitungsausschnitte von Leuten, die eine ganze Reihe komischer Ansichten von mir haben. Manche glauben, dass all die Verschwörungen in diesem wilden und verrückten Buch wirklich existieren, und wollen mich über die neuesten Schwindeleien informieren. Andere denken, dass ich selbst an keine dieser Verschwörungen glaube und nur als Satiriker (und daher als gerissener Verteidiger des Establishments) schreibe, und sie wollen mich auf den richtigen Trip bringen. Einige glauben, ich engagierte mich absichtlich im Verwirren der seriöseren oder ernsteren Verschwörungstheoretiker; viele haben sogar versucht (zu ihrer eigenen Zufriedenheit), die Verschwörung zu identifizieren, für die ich wirklich arbeite. Viele glauben, es sei die CIA, aber Lyndon LaRouche glaubt, dass es die ursprünglichen Illuminaten sind. Mae Brussel behauptete zu ihrer Zeit, ich würde für die Rockefellers arbeiten. Dazu bekannte ich mich freudig und fügte hinzu, dass mich David Rockefeller einmal im Monat besucht, um den schmutzig-schnöden Mam-mon in Goldbarren abzuliefern, die ich bei mir im Keller stapele. Ich dachte, das könnte meiner Kreditwürdigkeit helfen, aber scheinbar hat es außer Mae niemand geglaubt. Sehen Sie, ich habe noch nie eine dieser Behauptungen dementiert, denn eine glatte Verneinung würde jemanden, der echt mißtrauisch ist, nie überzeugen. Es steht Ihnen frei, irgendeine davon oder alle zu glauben. Um die X-Akten zu zitieren, die Bibel derer, die zweifeln: Trau keinem! Wer weiß, ob ich nicht letztlich doch ein »Illuminierter Judeo-Freimaurer der Kiffenden Homosexuellen Satanisten vom Planet X« bin. Die Recherche zum vorliegenden Buch hat mein Vertrauen in die Macht dessen, was William Blake poetische Imagination nannte, erneuert. (Psychiater nennen es manchmal Realitätsflucht.) Ich unternahm eine Menge ähnlicher Recherchen als Co-Autor von Illuminatus! und dachte, dass das meiste an diesem Buch ein erneuter Besuch auf bekanntem Grund und Boden wäre. Zu meinem Erstaunen und meiner Freude hat meine Mitarbeiterin und Forschungskollegin, Miriam Joan Hill, mehr Verschwörungstheorien gefunden, als ich mir je erträumt hätte. Würden wir nicht irgendwann aufhören und dieses Manuskript seinen Verlegern übergeben, könnten wir Jahre so weitermachen und ein Werk mit ebenso vielen Bänden wie die Encyclopedia Britannica produzieren. Man kann scheinbar keine noch so lächerliche und offensichtlich satirische Verschwörungstheorie entwickeln, als dass sie nicht irgendwelche Leute irgendwo glauben würden. Denen, die sich beschweren, weil ihre Lieblingsverschwörung hier nicht dabei ist, kann ich nur sagen, dass Raum und Zeit nicht unendlich sind, schon gar nicht in meinem Alter. Aber lassen Sie sich nicht aufhalten, beschweren Sie sich trotzdem. Vielleicht kriege ich einen Vertrag, um eine Fortsetzung zu schreiben. »Ah, Zeit! Bargeld! Kunst! Und Geduld!«, wie Melville schrieb. Ein letztes Wort: Ich fand, dass niemand sehr tief in diesen trüben Gewässern fischen kann, ohne wenigstens gelegentlich Anfälle von Paranoia zu bekommen d.h. nicht nur mit der Idee zu spielen, dass ein paar der plausibleren Theorien hier wahr sein könnten, sondern sich wegen der dümmsten von ihnen Sorgen zu machen. Ein Beispiel: Bei Mike Reynolds, einem Autor, den ich aus den 1970ern kenne und den man angeheuert hatte, einen Artikel über »Viehverstümmelungen« für ein elegantes Männermagazin zu schreiben, hatte man eingebrochen und sein Haus durchwühlt, kurz bevor er sein Manuskript einreichte. Er kam, um mit mir über seine Ängste zu sprechen, und ich versichere Ihnen, er war und ist ein vollkommen gesunder und skeptischer Mensch. Dennoch litt er unter einem Anfall ängstlicher Unsicherheit, die ich nur Verschwörungs-Zufall-Syndrom nennen kann: Wenn man diese Art Material nur lang genug anschaut, kann alles Unerfreuliche, das einem passiert nicht nur ein Einbruch, der jeden aufregt, weil er uns an die eigene Verwundbarkeit erinnert, sondern sogar »Kleinkram« wie komische Geräusche am Telefon, beschädigte (geöffnete?) Post oder Men In Black, die an der nächsten Ecke herumlungern -, einen verunsichern: Sind die vielleicht wirklich echt? Checken sie mich nur, oder bereiten sie einen Präventivschlag vor? Und was ist das für ein komisches Geräusch da draußen? Lassen Sie sich nicht nervös machen. Es geht uns allen so. Außerdem: Wenn Sie zulassen, dass es Sie nervös macht, werden Sie so paranoid wie die meisten Vollzeit-Verschwörungsforscher, die ich kenne. Aber wenn ich tatsächlich ein CIA-Agent oder ein Rockefeller-Mann oder irgend so etwas wäre, dann würde ich natürlich verhindern wollen, dass Ihnen das alles Sorgen macht, oder nicht? Bloß weil du nicht paranoid bist, heißt das noch lange nicht, dass sie nicht hinter dir her sind...  
 

 

 

 
 
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