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Feministische Theologie will die traditionelle Nichtbeachtung von Frauen in der Geschichte (auch der Religionen wie des Christentums) überwinden, das herrschende « Patriarchat » in den Gesellschaften (wie auch in den Kirchen) bekämpfen und dabei die besondere Erfahrung von Unterdrückung und Marginalisierung, denen Frauen über die Jahrhunderte ausgesetzt waren, zur Geltung bringen. Feministische Theologie ist Teil des Feminismus im 20. und 21. Jahrhundert, der sich seinerseits in die Emanzipationsbewegung der Frauen einfügt, die die ganze europäische und US-amerikanische Neuzeit mitbestimmt hat. Mit dem Kampfbegriff «Patriarchat» verweist der Feminismus auf ein Herrschaftssystem, das die Menschheitsgeschichte nahezu lückenlos geprägt haben soll: Unterordnung der Frauen unter die Männer in allen Lebensbereichen (Kate Millett). Auch die meisten Religionen betrachten Männer als den Frauen überlegene Geschöpfe. In Judentum, Christentum, sunnitischem Islam, Konfuzianismus und -> Hinduismus beispielsweise bestärken sich Männer mit religiösen, anthropologischen und aus der eigenen geschichtlichen Erfahrung bezogenen Argumenten gegenseitig in der Überzeugung, dass sie grundsätzlich mehr wert und von der Natur (oder von Gott) bevorzugt ausgestattet seien. In diesem Zusammenhang taucht immer wieder der theologisch fundierte Hinweis auf, dass Frauen - im Unterschied zu den hinsichtlich des Willens und der Verstandeskraft stärkeren Männern - eher zu Gefühlen, Leidenschaften, Begierden und mithin zum «Weltlichen » und zur Sünde neigten. Der Anspruch der Frau auf Gleichberechtigung ist nicht aus religiösen Traditionen, sondern aus einer durch die Aufklärung motivierten Emanzipationsbewegung abzuleiten; ihre Forderung nach Befreiung ist in den die Demokratie begründenden Menschenrechten verankert: «All men are created equal.« (Bill of Rights, 1689) Die europäische Frauenbewegung, aus der die feministische Theologie wesentliche Impulse bezog, ging vom «Women’s Liberation Movement » der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts in den USA aus. Im Gefolge dieser Bewegung gab es zahlreiche neue Ansätze in der soziologischen, historischen, erziehungswissenschaftlichen, literaturwissenschaftlichen und theologischen Forschung, und es entstanden Publikationen zur Frauengeschichte, zum Problem der Identitätsfindung von Mädchen sowie zur Erhellung der Ursachen und Wirkungen von Unterdrückung. Feministische Theologie und religiöse Frauenbewegung im deutschsprachigen Raum treten vor allem anlässlich von evangelischen Kirchen und Katholikentagen an die Öffentlichkeit. Ihr Protest gegen die Einseitigkeiten eines fixierten Bildes von Gott, dem Vater, und dessen politischen Implikationen weist auf eine Gottesvorstellung hin, die tatsächlich überwiegend von männlichen Attributen lebt: Außer als «Vater» wird Gott auch als « Herrscher », « König », « Richter » vorgestellt. Zu den Menschen - Frauen und Männern - schickt er einen (männlichen) « Sohn ». Obendrein verleiht ihm die Theologiegeschichte die überaus männlichen Eigenschaften eines « Allmächtigen », « Allwissenden » und «Allweisen », einer « höchsten Vernunft » und des «ganz Anderen ». Indem Gott so eindeutig nach dem Bild des Mannes geformt wird, heiligt sich, nach Überzeugung der feministischen Theologinnen, das Männliche stillschweigend selbst. Der (göttliche) Mann wird zum Maß des Menschlichen schlechthin, während die Frau an den Rand des Interesses und mithin auch an den Rand der christlichen Anthropologie rückt. Da Theologie und Anthropologie einander bedingen, verlangt die feministische Theologie nach einem gewandelten Gottesbild. Der männlichferne, allmächtigunabhängige Vatergott soll abgelöst werden von einem « gynaikozentrisch gedachten Göttlichen», das in zwischenmenschlichen Beziehungen, in gerechten Verhältnissen, in der Begegnung des Menschen mit der Natur hervortritt. Göttliche Väterlichkeit soll durch göttliche Mütterlichkeit ergänzt werden. So wird nun nicht mehr nur Gottes «Vatergüte », sondern auch seine « Mutterliebe » gepriesen. |
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