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BISOZIATION

 
       
  Bisoziation ist ein Ausdruck, den der Schriftsteller und Philosoph Arthur Koestler (1905-1983) eingeführt hat. Er bezeichnet »die Wahrnehmung einer Situation oder Idee ... in zwei zusammenpassenden, aber gewohnheitsmäßig unvereinbaren Bezugsrahmen«, ein Prozeß, von dem Koestler behauptet, er stecke hinter den menschlichsten unserer Verhaltensweisen: dem Witz, der wissenschaftlichen Theorie und dem Kunstwerk. Der Autor des vorliegenden Buches schlägt vor, dass Bisoziation auch hinter einer anderen, typisch menschlichen Geschichte steckt: der Verschwörungstheorie. Bezugsrahmen, die Koestler auch Matrizen nennt, werden auch als Raster oder Realitätstunnel in verschiedenen Wissenschaften bezeichnet. So ein Rahmen, Matrize, Realitätstunnel etc. ist ein Weg, Erfahrung zu organisieren: ein Code in unserem Nervensystem, der dem Gehirn sagt, wo es die verschiedenen Informationen verstauen soll. Wenn Bisoziation stattfindet, haben wir zwei kollidierende oder verschmelzende Rahmen. Das kann vergnüglich, beinahe sexuell sein, und nicht selten ist es fruchtbar. Im Humorbereich kann Bisoziation durch Oscar Wildes »Sind die Hamlet-Kommentatoren wirklich verrückt, oder tun sie nur so?« illustriert werden. Hamlet als Charakter (der verrückt sein könnte) verschmilzt mit Hamlet als Stück, und die mögliche Verrücktheit des einen oder beider überträgt sich auf die Kommentatoren (dieser doppelten Doppelassoziation unterliegt das Paradox, dass wir uns mit Hamlet identifizieren können, obwohl wir wissen, dass er in Wirklichkeit Laurence Olivier ist und wir nur einem Bühnenstück zuschauen eine Art der Bisoziation oder Wahnsinn oder mystische Ganzheit, die sozial akzeptierbar ist, weil sie im Theater ritualisiert und lokalisiert ist. Würden Sie jedoch Lord Olivier auf der Straße begegnen und ihn als Hamlet ansprechen, dann wäre das unakzeptierbare Verrücktheit). Dieselbe Kollision von Bezugsrahmen zeigt sich in Mae Wests »Ist das eine Pistole in Ihrer Tasche, oder freuen Sie sich nur, mich zu sehen?«, oder in Groucho Marxs »Ich schoß einmal auf einen Elefanten in meinem Pyjama. Wie er in meinen Pyjama kam, werde ich wohl nie erfahren.« Die gleiche Bisoziation ereignet sich in der wissenschaftlichen Entdeckung immer wieder. Newton sieht einen Apfel fallen, wie schon viele vor ihm, und bisoziiert das plötzlich mit den Umlaufbahnen der Planeten: die Geburt der klassischen Gravitationslehre. Kein anderer als ein Verrückter oder ein Genie würde eine simple Frucht, die von einem schlichten Baum fällt, mit den Bewegungen der Himmelskörper in Bezug setzen. Genauso waren, obwohl es uns schwerfallen mag, uns daran zu erinnern, Elektrizität und Magnetismus zwei verschiedene Dinge bis zu James C. Maxwell, dessen Bisoziation in Elektromagnetismus so grundlegend für die moderne Physik ist wie Einsteins Bisoziation von Raum und Zeit in die Raumzeit. Bisoziation findet sich in der Kunst; mein Lieblingsbeispiel ist Yeats' »Eine schreckliche Schönheit ward geboren«. Nie zuvor waren Schrecken und Schönheit so nahe beieinander. Und die Vorstellung von Schmerz und Herrlichkeit einer Geburt erreicht eine andere Ebene, eine Bisoziation der Bisoziation, wenn man sich erinnert, dass dieser Satz die gescheiterte irische Rebellion von 1916 beschreibt, die direkt zum Unabhängigkeitskrieg (1918-1921) führte, aus dem die Nation geboren wurde. Oder Shakespeares »Blut, Du bist Blut: Lass uns >Guter Engel< auf des Teufels Horn schreiben«. Oder, um in eine andere Kunstrichtung zu springen, man denke nur an Picassos Skulptur, die ein Stierschädel zu sein scheint, aber in Wirklichkeit aus Fahrradteilen entstanden ist. Natürlich entwickeln sich aus vielen Bisoziationen nur falsche Theorien oder banaler Blödsinn, so Koestler. Im Leben eines Humoristen oder Wissenschaftlers oder Künstlers mag das das Spannendste sein: Man weiß nie, ob man Geniales oder Kitsch produziert hat. Verschwörungstheorien enthalten einen großen Anteil an Bisoziation, und oft weiß man nicht, ob man sie als (unbeabsichtigten) Humor, wahre Sozialwissenschaft oder nur schwarze Kunst klassifizieren soll. Bedenken Sie diese Beispiele: Die Bisoziation von drei Millionären im Waldorf-Tower mit der Kommunistischen Partei der Vereinigten Staaten. Die Bisoziation von Königin Elisabeth II. und einer Hippie-Bude in der HaightAshbury-Gegend um 1968 (siehe: Lyndon LaRouche). Die Bisoziation von George Bushs Ölquellen und den Aliens, die die CIA vor uns verbirgt. Irgendeine Form der Bisoziation taucht, glaube ich, in jeder Verschwörungstheorie auf, und das erklärt, warum so viele über eine bestimmte Theorie lachen, während andere sie als Enthüllung der nackten Wahrheit begrüßen.  
 

 

 

 
 
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