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Sprache als Mittel der Bewußtseinskontrolle wurde von Philosophen wie Vico (18. Jahrhundert), Stirner und Nietzsche (19. Jahrhundert) und Wittgenstein (20. Jahrhundert) diskutiert. Zu den radikalsten Kritikern der Sprache in unserer Zeit gehören Graf Alfred Korzybski und Dr. Richard Bandler. Korzybski, der in einem Haus aufwuchs, in dem vier Sprachen gesprochen wurden (Deutsch, Französisch, Polnisch, Russisch) und der später Englisch lernte, machte die Beobachtung, dass die Worte, die wir benutzen, unsere Wahrnehmung und Vorstellung von der Welt beeinflussen. Ein Buch kann zum Beispiel von einem Leser als »realistisch« bezeichnet werden, von einem anderen Leser jedoch als »pornographisch«, und jeder der beiden wird das Buch automatisch mehr und mehr so sehen, je öfter er seine Bewertung (realistisch oder pornographisch) wiederholt. Hier sind Mechanismen der Hypnose am Werk, wie Dr. Bandler später entdeckte. Das erklärt auch, warum man nicht viel Erfolg damit haben wird, einer Person die Gleichberechtigung der Rassen zu predigen, die ständig Wörter wie »Nigger« benutzt. Korzybski machte jedoch eine noch radikalere Entdeckung, nämlich dass unsere Wahrnehmung/Vorstellung (unser Realitätstunnel) auch durch die Struktur der Sprache, die wir benutzen, geformt wird. Ein eingeborener Amerikaner, Afrikaner oder Chinese also jeder, der eine nicht-indoeuropäische Sprachstruktur benutzt lebt in einem anderen Universum als jene, die nur indoeuropäische Strukturen kennen. Korzybski behauptet auch, dass der Mathematikkundige in einem anderen semantischen System lebt als der, dem nur verbale Strukturen geläufig sind. Von diesen Punkten ausgehend, erstellte Korzybski eine vernichtende Diagnose der gewohnheitsmäßigen linguistischen Strukturen unserer Kultur. Korzybski spricht von neurolinguistischen Strukturen, denn sie stellen gewissermaßen die Software dar, mit der unser Nervensystem, das Gehirn eingeschlossen, Daten verarbeitet. Unsere schlimmste Angewohnheit, findet er, liegt in der ständigen Annahme einer Identität, die meistens im Gebrauch des Verbums »ist« impliziert ist. Sätze wie »Das Photon ist eine Welle«, »Das Photon ist ein Partikel«, »Beethoven ist besser als Mozart« oder »Was ich sah, war ein Raumschiff« sollten nach Korzybskis System so aussehen: »Das Photon benahm sich wie eine Welle, sobald es mit diesem Apparat gemessen wurde« oder »Das Photon verhielt sich wie ein Partikel, wenn man es mit diesem anderen Apparat maß«, »Beethoven scheint mir besser als Mozart zu sein« oder »Was ich sah, kam mir wie ein Raumschiff vor«. Die englische Sprache, in der »is« und verwandte Worte wie »was, be, will be, etc.« verwendet werden, wird als E bezeichnet, Englisch ohne »is« und verwandte Wörter als E1 (E-prime ausgesprochen). Der Autor des vorliegenden Buches hat zwei Bücher in E-prime geschrieben und findet, dass es viel dazu beiträgt, Prosa zu klarifizieren, zu entdogmatisieren und irgendwie wissenschaftlicher zu machen. Versuche, das vorliegende Werk in E-prime zu schreiben, erwiesen sich im Ergebnis schnell als hoffnungslos barock und beinahe unleserlich. Man braucht das »ist«, um Verschwörungstheorien zu beschreiben. Korzybski würde sagen, das beweist, dass Illusionen, Trugvorstellungen und »geistige« Krankheiten das »ist« brauchen, um sich fortsetzen zu können. Korzybski vertrat auch die Ansicht, dass viele Sätze und insbesondere Sätze, wegen denen Leute in Streit geraten oder sogar in den Krieg ziehen, nicht Sätze im logischen Sinn sind, sondern in eine Kategorie gehören, die Bertrand Russell »Propositionale Funktionen« nannte. Diese haben nicht nur eine Bedeutung, wie sie ein logischer Satz haben sollte, sondern mehrere, ähnlich einer algebraischen Funktion. Das fällt uns nicht auf, weil Russell »Propositionale Funktionen« erst in diesem Jahrhundert entdeckt hat und dieser Fund nicht besonders bekannt geworden ist. Laut Korzybski gehören viele unserer Lieblingsideologien in die Kategorie Propositionale Funktionen («Das ist ein X«, »Das hat zuviel Y drin«, »Hau ab mit deinem Z-ischen X-ismus«), und wir glauben, dass wir sie beweisen oder widerlegen können, dabei wissen weder wir noch unsere Opponenten, was sie wirklich aussagen. Sie sagen gar nichts aus, bis die vielwertigen X, Y, Z etc. konkret auf bestimmte Raum-Zeit-Ereignisse bezogen werden, welche die Beobachter, die darüber berichten, wahrnehmen. Propositionale Funktionen, die man nicht erkennt oder als solche behandelt, nennt Korzybski »noise« (»Lärm«; er schreibt das Wort fast immer kursiv). Es mag einem komisch vorkommen, dass in den meisten Fällen Zorn und Gewalt von Lärm herrühren, aber das kommt in anderen Primaten-Gesellschaften auch vor, oder nicht? Der Romanautor William S. Burroughs, der zusammen mit Korzybski Semantik studiert hat, hat diese Vorstellungen zu dem surrealistischen Thema einer Sprache als eindringendem Virus weiterentwickelt, den man in den meisten seiner Romane findet. Dieser Virus, so Burroughs, erschafft unsere Gedanken, Gefühle und Sinneseindrücke. Korzybski würde dem zustimmen, bis auf die Virus-Metapher, und das würde Dr. Richard Bandler auch tun. Dr. Bandler entwickelte Neuro-Linguistic Programming (NLP), das zeigt, wie verbale Strukturen die Welt erschaffen, in der wir zu leben glauben; NLP liefert auch ein paar erstaunlich wirksame Tricks, mit deren Hilfe wir unsere verbalen Gewohnheiten ändern und eine viel gesündere und leichter zu bewältigende Welt entdecken können. |
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