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Philip K. Dick, einer der besten Science-fiction-Autoren unserer Zeit (zwei erfolgreiche Filme, Blade Runner und Total Recall, basieren auf seinen Romanen), trat in seinen letzten Jahren in einen veränderten Bewußtseinszustand ein und wurde, je nach Standpunkt des Betrachters, zum religiösen Propheten, zum bedeutenden existentialistischen Philosophen oder zum kompletten Vollidioten. Einer seiner Psychotherapeuten versuchte ihn zu überzeugen, dass seine ganze Erfahrung von sexuellem Mißbrauch herrührte, den er als Kind erlitten habe. Alles begann am 17. November 1971, als, während er unterwegs war, unbekannte Personen in sein Haus einbrachen, viele seiner Akten stahlen und gerade so viel Schaden anrichteten, um eine Drohung anzudeuten. Da Dick in der Bürgerrechtsbewegung und in der Antikriegsbewegung aktiv war, ist es wahrscheinlich, dass der Einbruch entweder ein Teil der COINTELPRO-Operation des FBI war ein Versuch, Abweichler zu terrorisieren oder ein Fehltritt von einem von Nixons »Klempnern«, die später durch den Watergate-Einbruch berühmt wurden. Wie auch immer, Dick spürte, dass sich mächtige und unbekannte Gegner für ihn interessierten. Drei Jahre später, 1973, wurde ihm ein Zahn gezogen, und man gab ihm Sodium Pentathol. Er hatte in den öoern LSD genommen (wer nicht?), nahm öfter MetaAmphetamine (Speed), um Bücher termingerecht fertigzustellen, und hatte im Zuge der Gesundheitswelle in den 7oern seinen Körper mit Vitaminen überschwemmt. Er glaubt, dass all das bei dem, was dann geschah, eine Rolle gespielt haben mag. Einen Monat lang mußte Dick zusehen, wie sein ganzes Universum zusammenbrach und nicht etwa durch ein neues Universum ersetzt wurde, sondern von einer ganzen Serie von hypothetischen oder virtuellen Universen. Er lebte buchstäblich in seinen eigenen Sci-Fi-Geschichten und in der gnostischen Theologie, von der er fasziniert war. Manchmal kam es ihm so vor, als erinnere er ein vergangenes Leben als gnostischer Christ in Rom um das Jahr 70; manchmal, dass sein Freund, der Bischof James Pike, mit ihm reinkarnierte; manchmal auch, dass dreiäugige Wesen vom Sirius alles Leben auf der Erde kontrollierten; manchmal, dass er in einem telepathischen Sendekanal zwischen russischen Parapsychologen und Außerirdischen gefangen war; und dergleichen mehr. Als Dick wieder vergleichsweise normal wurde, betrachtete er diese Erfahrung mehr und mehr als den größten Fall von Falscherinnerung in der Geschichte der Menschheit, aus dem er teilweise erwacht war. Das heißt für ihn The Empire Never Ended (er schrieb diesen Satz stets so: halbfett): Das meiste aus den letzten 2000 Jahren in der Geschichte ist nie passiert. Das Römische Reich unterzog uns einer Gehirnwäsche, damit wir glauben, in einer ganz anderen Welt zu leben, und nicht merken, dass wir in Wirklichkeit im Messianischen Zeitalter leben. Nixon ist Nero, die Morde, an die wir uns zu erinnern glauben, sind verzerrte Erinnerungen an Christen, die man den Löwen vorwarf, und nichts innerhalb unserer Wahrnehmungsgrenzen ist, was es zu sein scheint. Da er sowohl Science-fiction-Autor als auch Philosoph war, begann Dick an dieser Theorie zu zweifeln. Tatsächlich ist das längste Buch, das er je schrieb, bis jetzt nur teilweise publiziert, eine mehr als 1000 Seiten umfassende Exegesis über seine Erfahrungen und die nachklingenden Nachbeben veränderten Bewußtseins, in der er eine Theorie nach der anderen ausprobiert, um herauszufinden, was ihm zugestoßen ist, ohne sich je für eine zu entscheiden. Unter anderem schreibt er seine Erlebnisse Zebra zu, einer hypothetischen Riesenintelligenz, die unsichtbar bleibt, weil sie wie ihre Umgebung aussieht, wie das bei manchen Insekten der Fall ist nur dass Zebra wie die gesamte Umgebung aussieht. Oft sprach er statt dessen von VALIS (Vast Active Living Intelligence System), das die dreiäugigen Sirianer hiergelassen haben, um uns bei unserer Evolution zu helfen. Sein letztes Buch, The Transmigration of Timothy Archer, weist alle metaphysischen Interpretationen ähnlicher Erfahrungen des Helden zurück und zieht den Schluß, dass alles, was wir von Bewußtseinserweiterung lernen können, darin besteht, toleranter zu sein, einander verdammt noch mal mehr zu lieben und irgendwas Konkretes gegen Leid und Ungerechtigkeit auf diesem Planeten zu tun. Dick starb kurz darauf; wäre das nicht passiert, hätte sein nächstes Buch unzweifelhaft von Philip K. Dick und dem, was ihm und seiner Welt zugestoßen ist, gehandelt. |
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