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BENJAMIN R. TUCKER |
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Benjamin R. Tucker (1854-1939) gilt allgemein als einer der glaubwürdigsten Erklärer des Individualanarchismus und beeinflußt nach wie vor anarchistische und libertäre Bewegungen. Geboren als Sohn von Abner Tucker, einem Quäker und Eigner von Walfangschiffen, und Caroline Cummings, einer Bewunderin von Tom Paine, wuchs Benjamin inmitten lebhafter intellektueller Konversation auf. Nach einem Studium am Massachusetts Institute of Technology (dem er im Alter von 16 Jahren beitrat) beschloß er, sein Leben nicht dem Ingenieurswesen, sondern Veröffentlichungen und der politischen Agitation zu widmen. Beeinflußt wurde er hauptsächlich von Josiah Warren, Amerikas erstem Anarchisten, von Lysander Spooner, P. J. Proudhon, Begründer des Gegenseitige-Hilfe-Anarchismus und Max Stirner, Individualanarchist, Egotist und Atheist. Tuckers Form des Individualismus fußt daher auf rationalen Appellen an den Verstand und weist alle übernatürliche Moral von sich. Benjamin Tuckers grundlegende Analyse des modernen Kapitalismus schwebt irgendwo zwischen wissenschaftlicher Objektivität und Verschwörungstheorie ähnlich wie die Analyse von Karl Marx, Tuckers Gegenteil in fast jeder anderen Beziehung. Wie Marx begann auch Tucker mit Adam Smith und seinem Axiom, dass Arbeit die Quelle aller Werte ist; genau wie Marx stellt er die Frage, warum der Arbeiter den Wert, den er oder sie schafft, nicht erhält. Im Gegensatz zu Marx aber erklärt Tucker diesen Umstand nicht mit dem Privatbesitz an den Produktionsmitteln, sondern gibt die Schuld vier Mechanismen, die er die vier Arten der Wucherei nennt. Die erste und bösartigste Spielart der Wucherei, sagt Tucker, besteht in einem Monopol der Geldausgabe, das von bestimmten Banken ausgeübt wird. In den USA ist das heute die Federal Reserve Bank. Diese Herrschaft über das Geld erlaubt der ausgebenden Bank und den ihr untergeordneten Banken, Zinsen für jeden Dollar, der in Umlauf kommt, zu verlangen (und das erklärt das nationale amerikanische Defizit von unglaublichen sechs Trillionen Dollar, sagen moderne Tuckeristen). Die zweite Form der Wucherei, meint Tucker, liegt im Monopol des Landbesitzes, der Herren-des-Landes (ehemals die Verwandten des Königs), heutzutage der Grundbesitzer, die nicht unbedingt mehr mit Königen verwandt sein müssen. Dem liegen Miete und Hypotheken zugrunde. Die dritte und vierte Form der Wucherei sind Tarife, die den freien Wettbewerb auf weltweiter Ebene verhindern, und Patente, die es Erfindern (oder, besser gesagt, denen, die Erfinder beschäftigen) erlauben, andere daran zu hindern, eine billigere Abart des monopolisierten Produktes herzustellen. Diese vier Praktiken, sagt Tucker, stören die freie Marktwirtschaft und widersprechen der kapitalistischen Theorie. In anderen Worten: Er behauptet, dass die Kapitalisten den Kapitalismus nicht wirklich praktizieren. Tucker war daher der Ansicht, dass alles ökonomische Elend auf Monopole zurückzuführen sei, die Wettbewerb ausschließen, und dass, würde man die vier Formen der Wucherei abschaffen, freies Unternehmertum all die guten Ergebnisse liefern könnte, die Adam Smith erwartet hatte. Die Tatsache, dass diese besonderen Privilegien eine Minderheit auf Kosten einer Mehrheit bereichern, wird von Tucker nie ausdrücklich einer Verschwörung angelastet (er macht eher Ignoranz verantwortlich), aber seine Anhänger, wie auch die von Karl Marx, formulieren ihre Überzeugungen oft so, als würden die Reichen sich pausenlos verschwören, um uns alle auszubeuten. In jedem Fall war Tucker gegen eine gewaltsame Revolution und glaubte, seine Ziele durch Erziehung erreichen zu können: Wenn alle vernünftige Egotisten sind, wird sich keiner der Ausbeutung unterwerfen, und durch passiven Widerstand wird man den Staat und die Monopolisten aushungern können. |
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