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Rußland materiell unterlegen |
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An der Ostfront war der Aderlaß noch schrecklicher. Nachdem Japan Rußland 1905 besiegt hatte, erkannte der Zar, daß sein Land nicht für einen modernen Krieg vorbereitet war. Während sich die Kriegswolken über dem europäischen Kontinent zusammenbrauten, wurde klar, daß, wenn Rußland in der Lage sein sollte, sich zu verteidigen und seine vertraglichen Verpflichtungen in Slawien einzuhalten, seine gesamte Armee neu organisiert, neu ausgerüstet und neu ausgebildet werden müßte. Der Zar erklärte seinen Generälen, daß diese Mammutaufgabe, trotz eines sofortigen Bargeldprogrammes, nicht vor 1920 vollständig abgeschlossen werden könnte und daß es notwendig sei, den Frieden solange zu erhalten, bis dieser Stand erreicht sei.
Als der Krieg 1914 ausbrach, war Rußland, obwohl es die größte Armee der Welt besaß, für eine größere Auseinandersetzung erbarmungswürdig unvorbereitet. Rußland sah sich vor eine schwere Entscheidung gestellt. Entweder mußte man zurückstecken, seine Vertragsverpflichtungen widerrufen, das Gesicht verlieren, zum Gespött der Welt und eine fünftklassige Macht werden - oder man mußte kämpfen. Rußland entschied sich zum letzteren, und zwar in dem Bewußtsein, daß der Sieg schnell erreicht werden müsse - oder daß eine beispiellose nationale Katastrophe folgen werde.
Abgesehen von seiner Truppenstärke war Rußland materiell unterlegen. Das beste russische Geschütz konnte nur vier Meilen weit schießen, während die deutschen sieben Meilen erreichten: Artillerieduelle kamen einem Massenmord gleich. Rußlands elendes Los wurde noch durch die veralteten Kanonen verschlimmert, die nur einige Geschosse pro Tag abfeuern konnten.
Das deutsche Heer verfügte über modernes Kriegsgerät, während viele russische Divisionen nur ein Gewehr je vier Mann hatten. Der Rest war mit Mistgabeln und Äxten bewaffnet.
Den Ruf, den die russischen Truppen weltweit besaßen, hat Professor Usher 1913 veranschaulicht, als er schrieb: »Die größten Schwierigkeiten für die russischen Generäle bestanden in der Qualität des Menschenmaterials, das ihnen zur Verfügung stand. Die Soldaten und selbst die Unteroffiziere waren häufig nicht intelligent genug, um eine Bewegung durchzuführen, die mehr verlangte als bloßen Gehorsam, einen Befehl buchstabengetreu auszuführen. Blinder Mut, die Fähigkeit, Hunger und Kälte zu erdulden, die die deutsche Armee zur Meuterei veranlaßt hätten, die Dumpfheit des wilden Tieres. All dies besaßen die russischen Truppen. Intelligenz, Urteilsvermögen, Können und Initiative, all dies und vieles andere, für eine so komplexe Organisation wie eine moderne Armee lebenswichtigen Fähigkeiten fehlten der Masse der russischen Truppen ganz und gar.« |
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